Werte-Zoom, Nummer 19

Partnerschaft und Frauenbild - Covid-19-Sonderedition III

01.12.2022

Das traditionelle Rollenbild der Frau als alleinverantwortlich für den Haushalt und die Kindererziehung hat sich während der Covid-19-Pandemie deutlich geändert. Diese Veränderung kann etwas stärker bei Frauen als bei Männern beobachtet werden. Dies betrifft vor allem Frauen, die älter als 25 Jahre sind. Im Folgenden werden die Daten der Covid-19-Sonderedition der Europäischen Wertestudie, die in Österreich während der vierten Corona-Welle im Dezember 2021 dazu erhoben wurden, analysiert.1

 

Was ist wichtig für eine gute Partnerschaft?

Mütter hatten während der Pandemie durch den Wegfall von Kinderbetreuungsmöglichkeiten (Kindergarten, Schule, Hort, Großeltern etc.) oft verhältnismäßig mehr Kinderbetreuungsarbeit zu leisten als Männer.2 Im öffentlichen Diskurs wurde daher vereinzelt die Sorge geäußert, dass die Pandemie zu einem emanzipatorischen Backlash geführt und den Frauen wieder vermehrt den Aktionsradius "Zimmer, Küche, Kabinett" zugewiesen habe. Wir sehen jedoch in unseren Daten genau das Gegenteil, nämlich dass es zu einer Sensibilisierung für die asymmetrische Arbeitsverteilung gekommen ist.

Grafik: B. Veit

Danach befragt, was für eine gute Ehe oder Partnerschaft "sehr wichtig", "ziemlich wichtig" oder "nicht besonders wichtig" sei, meinten 2018, also zwei Jahre vor dem Beginn der Pandemie, noch 90% der Respondent*innen, dass ihnen Kinder "sehr wichtig" oder "ziemlich wichtig" seien; im Dezember 2021, nach fast zwei Jahren Pandemie, meinten das nur mehr 73%. Die Hausarbeit zu teilen war vor der Pandemie hingegen "nur" 72% "sehr wichtig" oder "ziemlich wichtig", nach fast zwei Jahren Pandemie war dieser Wert jedoch auf 86% angestiegen.

 

Die Rolle der Frau

Diese Veränderung lässt sich auch an anderen Fragen ablesen. Die Zustimmung zu sämtlichen Aussagen, die den Frauen die Rolle der Hüterin von Heim, Kindern und Familie und den Männern exklusiv die Rolle der Berufstätigkeit außer Haus zusprechen, ist während der Pandemie durchwegs zurückgegangen. Vor der Pandemie waren noch 63% bzw. 53% der Ansicht, dass die Familie bzw. Kinder leiden, wenn Frauen oder Mütter berufstätig sind. Im Jahr 2021 waren dies dann nur mehr 50%. Ebenso ist die Zustimmung zu den folgenden Ansichten um 4 bis 8 Prozentpunkte zurückgegangen: "Ein Beruf ist gut, aber was die meisten Frauen wirklich wollen, ist ein Heim und Kinder"; "Es ist die Aufgabe eines Mannes Geld zu verdienen, die Aufgabe einer Frau ist es, sich um das Zuhause und die Familie zu kümmern" sowie "Wenn Arbeitsplätze knapp sind, haben Männer eher ein Recht auf Arbeit als Frauen".

Grafik: B. Veit

Sehen dies die Männer auch so?

Sowohl Frauen als auch Männer haben während der Pandemie diese Entwicklungen durchgemacht, Frauen aber in stärkerem Ausmaß. Bei den Männern haben vor der Pandemie 26% die Aussage "Es ist die Aufgabe eines Mannes Geld zu verdienen, die Aufgabe einer Frau ist es, sich um das Zuhause und die Familie zu kümmern" strikt abgelehnt ("stimme gar nicht zu"), während der Pandemie hat sich das um gut 10 Prozentpunkte auf 37% gesteigert. Bei den Frauen hingegen hat sich die strikte Ablehnung um rund 20 Prozentpunkte (von 36% auf 57%) erhöht.

Grafik: B. Veit

Noch prononcierter ist der Geschlechterunterschied etwa bei der Ablehnung der Aussage "Ein Beruf ist gut, aber was die meisten Frauen wirklich wollen, ist ein Heim und Kinder". Männer haben sich bei dieser Aussage nur minimal bewegt, während Frauen ihre strikte Ablehnung hier von 25% auf 37% verstärkt haben.

Grafik: B. Veit

Sind jüngere Frauen progressiver?

Typischerweise sind jüngere Frauen in ihren Ansichten liberaler als ältere Frauen3 - so auch bei den hier besprochenen Fragen. Frauen, die älter als 25 Jahre sind, haben sich während der Pandemie jedoch den jüngeren Frauen angeglichen, zum Beispiel bei der Frage von Halbe-Halbe im Haushalt, bei der Frauen bis 25 Jahre (Generation Z) einen leichten Rückgang in der Zustimmung zwischen 2018 und 2021 zu verzeichnen haben, Frauen jenseits der 25 jedoch einen Anstieg.

Grafik: B. Veit

Ähnlich ist dies mit der Ablehnung der Aussage "Es ist die Aufgabe eines Mannes Geld zu verdienen, die Aufgabe einer Frau ist es, sich um das Zuhause und die Familie zu kümmern", wo zwar jüngere Frauen ihre strikte Ablehnung um 7 Prozentpunkte von 61% auf 68% erhöht haben, ältere jedoch gleich um mehr als 20 Prozentpunkte von 33% auf 55%.

Grafik: B. Veit

Anders verhält es sich hingegen bei den Fragen, ob Kinder respektive die Familie leiden, wenn Mütter berufstätig sind. Dieser Aussage haben die jüngeren Frauen, die womöglich (bis vor Kurzem) selbst noch Kinder berufstätiger Mütter waren, ihre Zustimmung in stärkerem Maße als ältere Frauen entzogen.

Grafik: B. Veit

Grafik: B. Veit

Abschließend lässt sich sagen, dass das Rollenbild der Frauen während der Pandemie liberaler wurde - obwohl oder vielleicht gerade weil die Frauen während der Pandemie und der Lockdowns wieder vermehrt organisatorische Tätigkeiten im Haushalt und mit den Kindern übernehmen mussten. Wie sehr diesen Ansichten auch Taten folgen und die traditionellen Rollenbilder auch faktisch - und nicht nur in Umfragen - aufgebrochen werden, wird sich in Zukunft weisen.

Johanna Willmann

 

Johanna Willmann, PhD ist Universitätsassistentin (post-doc) am Institut für Staatswissenschaft sowie am Institut für Praktische Theologie der Universität Wien und arbeitet im Forschungsverbund Interdisziplinäre Werteforschung mit.

Kontakt: johanna.willmann@univie.ac.at

 

Anmerkungen:

1 Kritzinger, Sylvia; Willmann, Johanna; Rohs, Patrick; Pollak, Markus; Friesl, Christian; Polak, Regina (2022), The European Values Study - Austrian Special COVID-19-edition 2021 Including Youth Oversample, Wave 1. (Prepublication Release Version 0.0). Vienna.

2 Von Würzen, Barbara (2020), Rollen und Aufgabenverteilung bei Frauen und Männern in Corona-Zeiten. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung.

3 Inglehart, Ronald; Norris, Pippa (2003), Rising Tide: Gender Equality and Cultural Change Around the World. Cambridge: Cambridge University Press.