Werte - Zoom, Nummer 5
Generationenkontraste in der Einstellung zur Erwerbstätigkeit von Müttern
05.11.2020
Rund die Hälfte der Österreicher*innen (47%) stimmt zu, dass Kinder darunter leiden, wenn die Mutter berufstätig ist. Damit zählt Österreich im europäischen Vergleich zu den Ländern mit höherer Zustimmung; ähnlich hoch liegt die Zustimmung in mehreren zentral- und (süd-)osteuropäischen Ländern wie Kroatien, Polen oder Ungarn. Österreich verzeichnet im Ländervergleich jedoch einen sehr starken Kontrast zwischen den Generationen: Während 64% der 60+-Jährigen zustimmen, dass Kinder darunter leiden, wenn die Mutter berufstätig ist, liegt der Anteil unter den 18- bis 39-Jährigen nur bei 35%.
Elterliche Aufteilung von Betreuungsarbeit und Erwerbsarbeit
Generell hat sich die Rollenteilung zwischen Mann und Frau in den letzten Jahrzehnten deutlich in Richtung einer egalitäreren Arbeitsteilung verändert. Einerseits ist die Frauenerwerbsquote seit Anfang der 1970er-Jahre fast kontinuierlich gestiegen, andererseits übernehmen Männer zunehmend Kinderbetreuung und Hausarbeit. Dennoch unterbrechen Mütter in Österreich ihre Berufstätigkeit im europäischen Vergleich relativ lang, nämlich bis zum zweiten oder dritten Geburtstag des Kindes. Knapp unter 20% der Kinder werden im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldes (KBG) auch vom Vater betreut, allerdings durchschnittlich nur zwei bis drei Monate. Nach der Elternkarenzphase nehmen Mütter ihre Erwerbstätigkeit überwiegend wieder in Teilzeit auf, und viele verbleiben in diesem Arrangement auch langfristig.
Die EVS beinhaltet eine Reihe von Indikatoren, die die Wertvorstellungen zu Eltern- und Geschlechterrollen messen. Diese Vorstellungen haben sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark gewandelt. Beispielsweise ist die Zustimmung zu Aussagen wie "Wenn die Arbeitsplätze knapp sind, haben Männer eher ein Recht auf Arbeit als Frauen" oder "Ein Beruf ist gut, aber was die meisten Frauen wirklich wollen, ist ein Heim und Kinder" seit 1990 markant gesunken. Generell weisen jüngere und höher gebildete Personen in städtischen Gebieten deutlich egalitärere Einstellungen auf; die Geschlechterunterschiede sind eher gering. Auch Veränderungen über die Generationen hinweg und im Lebenslauf lassen sich erkennen und legen nahe, dass wir uns in einem gesamtgesellschaftlichen Wertewandel hin zu weniger traditionellen Ansichten befinden.
Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern im europäischen Vergleich
In den Einstellungen zur Aussage "Kinder leider darunter, wenn die Mutter berufstätig ist" lässt sich zunächst generell eine gespaltene Haltung der Österreicher*innen erkennen. Mit dem recht hohen Anteil von rund 47% Zustimmung (und 53% Ablehnung) in der EVS 2018 reiht sich Österreich (wie auch Italien) im europäischen Vergleich eher unter die zentral- und (süd-)osteuropäischen Länder ein. Verglichen mit den vier Ländern mit der höchsten Zustimmung von rund 60 bis 80% (Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien), stimmen vor allem in Nordeuropa nur sehr geringe Anteile der Bevölkerung zu, und zwar bis zu 15% in Dänemark, Finnland und Schweden. Die relativ hohe Zustimmung in Österreich ist auch deshalb bemerkenswert, weil das Alter der Kinder in der Aussage nicht definiert wird (wie in den früheren EVS-Studien 1990 bis 2008, die die Aussage auf "Kleinkind" eingegrenzt hatten), sondern Kinder aller Altersgruppen und Mütter ohne Hinweis auf das Arbeitsausmaß (Vollzeit/Teilzeit) umfasst. In Bezug auf die zusätzlich abgefragte Aussage "Im Allgemeinen leidet das Familienleben darunter, wenn die Frau Vollzeit berufstätig ist" sind die Ergebnisse ähnlich: 57% stimmen zu und 43% lehnen ab (dies ist die neunthöchste Zustimmung innerhalb der 33 unten dargestellten europäischen Länder).
Generationenunterschiede in der Einstellung zur Erwerbstätigkeit von Müttern
Österreich scheint sich in einem Zwischenstadium zwischen traditionellen und egalitären Geschlechterrollen zu befinden. Während junge, urbane Frauen bzw. Männer mit höherem Bildungsniveau eher selten zustimmen, dass Kinder unter der Erwerbstätigkeit ihrer Mütter leiden, sind ältere Frauen und Männer im ländlichen Bereich mit geringerem Bildungsniveau tendenziell eher der Ansicht, dass Kinder leiden. Insbesondere in Bezug auf die Unterschiede zwischen den Generationen nimmt Österreich eine hervorstechende Position ein (vgl. Grafik 2). Während 64% der 60+-Jährigen zustimmen, dass Kinder darunter leiden, wenn die Mutter berufstätig ist, liegt der Anteil unter den 18- bis 39-Jährigen nur bei 35%. Unter 33 Ländern ist der Kontrast zwischen den Generationen in Bezug auf die Zustimmung zu dieser Aussage nur in Italien, Kroatien und Polen stärker. Im Allgemeinen ist der Generationenunterschied in jenen Ländern größer, wo die ältere Generation noch sehr traditionelle Einstellungen aufweist. Dies gilt auch für Österreich, wo die Einstellungen der älteren Generation (60+ Jahre) zu den traditionellsten in Europa zählen: Nur in sechs Ländern – Albanien, Armenien, Georgien, Italien, Polen und Serbien – sind sie noch traditioneller. Die jüngere Generation (18-39 Jahre) – obwohl in ihren Einstellungen immer noch näher an zentral- und (süd-)osteuropäischen Ländern als an Nord- oder Westeuropa – rückt hingegen stärker Richtung Mitte: In deutlich mehr Ländern, nämlich 13, ist die Einstellung zu dieser Aussage unter den Jüngeren noch traditioneller als in Österreich. Diese Verschiebung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in manchen europäischen Regionen (insbesondere im Kaukasus und in Südosteuropa, zum Teil auch in Zentral- und Osteuropa) die junge Bevölkerung weiterhin relativ traditionelle Einstellungen aufweist. Der Generationenunterschied ist aufgrund dessen in diesen Ländern nur gering ausgeprägt. Ebenfalls einen geringen Generationenunterschied weisen die nordeuropäischen Länder auf (insbesondere Dänemark, Norwegen und Schweden), wo auch die ältere Generation der Müttererwerbstätigkeit bereits positiver gegenübersteht.
Insgesamt belegen diese Ergebnisse die großen Unterschiede in Wertvorstellungen zu Eltern- und Geschlechtsrollen in Europa, zum Teil entlang regionaler Muster. Die Bevölkerung in Österreich ist in den Werthaltungen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit von Müttern deutlich weniger egalitär eingestellt als in west- und nordeuropäischen Ländern. Angesichts des starken Generationentrends ist jedoch zu erwarten, dass in Zukunft die Akzeptanz von Müttererwerbsarbeit noch steigen wird.
Eva-Maria Schmidt, Caroline Berghammer
Mag. Dr. Eva-Maria Schmidt, Bakk. MA forscht und publiziert als Soziologin und Ethnologin am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien und am Institut für Soziologie der Universität Wien.
Kontakt: eva-maria.schmidt@univie.ac.at
Ass.-Prof. Mag. Dr. Caroline Berghammer arbeitet am Institut für Soziologie der Universität Wien und am Wittgenstein Centre (IIASA, OeAW, University of Vienna), Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: caroline.berghammer@univie.ac.at