Werte - Zoom, Nummer 7

Generationenkontraste in der Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Eltern

17.03.2021

Die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sein können wie andere Paare, bejaht gut die Hälfte der Österreicher*innen (54%), vor allem jüngere, weibliche und höher gebildete Personen. 27% der Menschen in Österreich lehnen diese Aussage allerdings ab und 19% sind unentschlossen. Im europäischen Vergleich zeichnet sich Österreich durch große Unterschiede zwischen den Generationen aus: In der jüngsten Altersgruppe (18-39 Jahre) finden deutlich mehr Personen (68% Zustimmung), dass gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sind, als in der ältesten Altersgruppe (60 und mehr Jahre), wo nur 37% dieser Aussage zustimmen.

 

Elternschaft in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften

Neben den vielfältigen Lebensformen, die seit den 1960er-Jahren zahlenmäßig bedeutsamer geworden und in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert sind (nichteheliche Lebensgemeinschaften, Stieffamilien, Alleinlebende und Alleinerziehende), zählen Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern zu den wenigen im historischen Vergleich neu hinzugekommenen Familienformen. In Österreich war die Möglichkeit einer Elternschaft lange nur heterosexuellen Paaren vorbehalten. Seit 2015 ist die medizinisch unterstützte Fortpflanzung für lesbische Paare möglich und seit 2016 die Adoption. Nachdem der Verfassungsgerichtshof Ende 2018 auch die unterschiedlichen Regelungen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben hat, wurden im Jahr 2019 997 und im Jahr 2020 611 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen1.

Die Zustimmung zu sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen des gleichen Geschlechts ist in den letzten Jahrzehnten in Österreich deutlich gestiegen. Im Jahr 2016 waren 63% homosexuellen Beziehungen gegenüber positiv eingestellt.2 Die EVS-Daten bestätigen, dass die Akzeptanz von homosexuellen Menschen deutlich zugenommen hat: 1990 lehnten noch 43% "Homosexuelle als Nachbarn" ab, während die Ablehnung bis 2018 auf 13% gesunken ist.3 

 

Einstellungen zu gleichgeschlechtlichen Eltern im europäischen Vergleich

Ob gleichgeschlechtliche Paare auch Eltern sein sollten, ist stärker umstritten: Im Jahr 2018 stimmen in Österreich 54% der Aussage (voll und ganz) zu, dass "gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sind wie andere Paare", während 27% (überhaupt) nicht zustimmen. 19% sind unentschlossen (12% antworten mit "weder noch" und 7% mit "weiß nicht").4

Frauen stimmen dieser Aussage zu einem höheren Teil als Männer (voll und ganz) zu (61% versus 47%). Analysen nach Bildung verdeutlichen eine höhere Akzeptanz von homosexuellen Eltern unter formal höher gebildeten Personen: 61% der Personen mit Hochschulabschluss stimmen (voll und ganz) zu, im Vergleich zu 46% unter Personen mit Pflichtschulabschluss.

Die Frage nach der gleichgeschlechtlichen Elternschaft polarisiert innerhalb von Europa deutlich, was sich insbesondere an einem markanten Ost-West-Gefälle zeigt: Während die Zustimmung in den meisten Ländern im Osten Europas5 nur maximal 12% beträgt, liegen die Werte in vielen Ländern im Westen Europas6 bei 60% und mehr (siehe Abbildung 1). In beiden Regionen lässt sich allerdings eine Abstufung und Vielfalt im Meinungsspektrum erkennen. In den Ländern des Kaukasus (wie Aserbaidschan oder Georgien) wie auch zum Teil in den Ländern des Westbalkans (wie Serbien) stimmt nur eine kleine Minderheit zu, dass gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sind wie andere Paare; rund 50 bis 60% stimmen überhaupt nicht zu. Im Osten Europas sind Tschechien und Slowenien gleichgeschlechtlicher Elternschaft gegenüber am aufgeschlossensten: 41% bzw. 36% stimmen der Aussage (voll und ganz) zu, während rund 10% überhaupt nicht zustimmen. Im Westen Europas zählen Italien, Portugal, die Schweiz, Finnland und Österreich zu den Ländern mit moderater Zustimmung: Rund 50% (Italien ist ein "Ausreißer" mit nur 27%) stimmen (voll und ganz) zu und im Durchschnitt stimmen 9% überhaupt nicht zu. Die höchste Zustimmung findet sich in Norwegen, Schweden und Island, wo sogar 70 bis 83% (voll und ganz) der Meinung sind, dass gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sind wie andere Paare; zwischen 1% (Island) und 8% (Norwegen) stimmen überhaupt nicht zu.

Grafik: B. Veit

Generationenunterschiede in der Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Eltern

In Bezug auf die Unterschiede zwischen den Generationen sticht Österreich im europäischen Vergleich deutlich hervor: Während ältere Personen (60 Jahre und älter) nur zu 37% zustimmen, bejahen 68% der 18- bis 39-Jährigen die Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sein können (+31 Prozentpunkte). Dieser Kontrast ist in den süd- und westeuropäischen sowie deutschsprachigen Ländern generell am stärksten ausgeprägt. Nur in Portugal (+41 Prozentpunkte) und Großbritannien (+34 Prozentpunkte) ist er noch markanter als in Österreich. Auch in den liberaleren zentral- und osteuropäischen Ländern wie Estland, Slowenien und Tschechien ist eine deutliche Erhöhung in der Zustimmung über die Generationen hinweg zu beobachten. Österreich reiht sich damit - anders als bei der Müttererwerbstätigkeit (vgl. Werte-Zoom Nummer 5) - unter die westeuropäischen und anderen deutschsprachigen Länder ein - vor allem bei den Jüngeren.

Länder im Kaukasus, in Ost- und Südosteuropa sowie Zentral- und Osteuropa (darunter auch EU-Länder) weisen zusätzlich zur generell sehr niedrigen Zustimmung geringe Generationenkontraste und damit auch kaum Wandel auf. In anderen Ländern (insbesondere in Schweden und den Niederlanden) sind die Zustimmungswerte hingegen bereits in der älteren Bevölkerung hoch. Die Zustimmung scheint hier ein Plateau erreicht zu haben und der Kontrast zwischen den Generationen fällt gering aus.

Grafik: B. Veit

Insgesamt belegen diese Ergebnisse die großen Unterschiede in Wertvorstellungen zu gleichgeschlechtlicher Elternschaft in Europa entlang regionaler Muster. Vor allem der Ost-West-Kontrast ist auffällig, wobei in vielen Ländern im Osten Europas nur geringe Bevölkerungsanteile zustimmen, dass gleichgeschlechtliche Paare genauso gute Eltern sind wie andere Paare, und gleichzeitig kaum Wandel über die Generationen hinweg zu beobachten ist. Die Bevölkerung in Österreich ist gleichgeschlechtlicher Elternschaft gegenüber moderat positiv eingestellt. Angesichts des starken Generationen-Trends und der zunehmenden rechtlichen Gleichstellung mit heterosexuellen Partnerschaften ist jedoch zu erwarten, dass sich gleichgeschlechtliche Beziehungen in Zukunft zur noch stärker akzeptierten Lebensform entwickeln, in denen auch immer mehr Kinder aufwachsen.

Caroline Berghammer, Eva-Maria Schmidt

 

Ass.-Prof. Mag. Dr. Caroline Berghammer ist Soziologin und forscht am Institut für Soziologie der Universität Wien und am Wittgenstein Centre (IIASA, ÖAW, Universität Wien), Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Kontakt: caroline.berghammer@univie.ac.at 

Mag. Dr. Eva-Maria Schmidt, Bakk. MA forscht und publiziert als Soziologin und Ethnologin am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien und am Institut für Soziologie der Universität Wien.

Kontakt: eva-maria.schmidt@univie.ac.at

 

Anmerkungen:

1 Die detaillierten Werte betragen: 26% stimmen voll und ganz zu; 28% stimmen zu; 12% weder noch; 15% stimmen nicht zu; 11% stimmen überhaupt nicht zu; 7% weiß nicht. Geringfügige Abweichungen in den Werten im Vergleich zu Berghammer, C. und Schmidt, E.-M. (2019): Familie, Partnerschaft und Geschlechterrollen: Alles im Wandel? In: Aichholzer, J.; Friesl, C.; Hajdinjak, S.; Kritzinger, S. (Hg.): Quo vadis, Österreich? Wertewandel zwischen 1990 und 2018. Czernin Verlag, Wien, S. 57-88 sind vor allem auf Unterschiede in der Gewichtungsmethode zurückzuführen.

2 Vgl. Statistik Austria (2020): Eheschließungen seit 2009 nach ausgewählten Merkmalen (https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/ eheschliessungen/023945.html); Zugriff 02.03.2021; Statistik Austria (2021): Pressemitteilung - korrigierte Fassung: 12.445-036/21 (https://www.statistik.at/web_de/presse/125399.html); Zugriff 02.03.2021.

3 Vgl. Aichholzer, J. (2019): Diversität und Solidarität: Der Umgang mit sozialer Vielfalt und sozialer Zusammenhalt in Österreich. In: Aichholzer, J.; Friesl, C.; Hajdinjak, S.; Kritzinger, S. (Hg.): Quo vadis, Österreich? Wertewandel zwischen 1990 und 2018. Czernin Verlag, Wien, S. 174-205, S. 179.

4 Vgl. Beham-Rebanser, M.; Berghammer, C.; Zartler, U. (2019): Partnerbeziehungen zwischen Flexibilität und Stabilität. In: Bacher, J. et al. (Hg.): Sozialstruktur und Wertewandel in Österreich. Springer VS, Wiesbaden, S. 179-209, S. 195.

5 Dazu zählen wir die Länder in Zentral- und Osteuropa, Osteuropa, Südosteuropa und dem Kaukasus (siehe Abbildung 2).

6 Dazu zählen wir die Länder in Nordeuropa, Westeuropa, Südeuropa und die deutschsprachigen Länder (siehe Abbildung 2).